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Die Frage beschäftigt derzeit Unternehmer aller Branchen. Was passiert, wenn die aktuell skizzierten Notfallszenarien einer Strommangellage im kommenden Winter eintreten? Ist meine Unternehmung davon betroffen? Was für Vorbereitungen können wir treffen und wie weit sind wir für den Ausfall gegenüber unseren Partnern (Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter etc.) verpflichtet?

Nachstehend wird versucht, die möglichen Konsequenzen einer Stromrationierung bzw. einer gänzlichen Abschaltung der Stromzufuhr am konkreten Beispiel eines Skigebietes zu skizzieren. Das Szenario orientiert sich an den durch den Bund publizierten Informationen bzw. an den Publikationen des OSTRAL (Organisation für Stromversorgung in ausserordentlichen Lagen).

Ausgangslage
Mehrfach haben Vertreter des Bundes darauf hingewiesen, dass im kommenden Winter 2022 eine Strommangellage drohen könnte. Das Szenario wird nicht erst seit dem Ausbruch des Krieges als realistisch eingeschätzt. Vielmehr wurden bereits in der Risikoanalyse des BABS (Bundesamt für Bevölkerungsschutz) vom November 2020 die Strommangellage, eine Pandemie oder der Ausfall des Mobilfunknetzes als grösste Risiken angeführt. Die Einschätzung war bisher beunruhigend exakt. Die Situation betreffend der Strommangellage hat sich in den vergangenen Monaten zudem massiv verschärft, weshalb die Unternehmen gehalten sind, sich hierauf vorzubereiten.

In juristischer / rechtstaatlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Bund zur Rationierung der Stromversorgung befugt ist. Eine verfassungsmässige Grundlage besteht ohne Zweifel. Die OSTRAL hat sodann vier konkrete Massnahmen für den Eintretensfall vorgesehen (vgl. obzitierter Bericht):

  1. Sparapelle an die Bevölkerung (freiwillig)
  2. Verbrauchseinschränkungen
  3. Sofortkontingentierung und Kontingentierung für Grossverbraucher
    (Jahresverbrauch von mehr als 100’000 kWH gem. Art. 11 Stromversorgungsverordnung)
  4. Netzabschaltungen für einzelne Bereiche des Verteilnetzgebietes

Skigebiete verfügen über einen sehr hohen Stromverbrauch. Gleichzeitig sind sie grösstenteils weder Teil der kritischen Infrastruktur noch wirtschaftlich für die Landesversorgung von zwingender Bedeutung. Die Abschaltung von Skigebieten bei Mangellagen wird im Rahmen der „Freizeitbetriebe“ in der vorliegenden Diskussion oft erwähnt. Teils wird auch sehr konkret auf die Skigebiete verwiesen, was nicht zuletzt ein Vorstoss der GLP im Parlament gezeigt hat. Aufgrund dieser Tatsachen ist also damit zu rechnen, dass Skigebiete zu den frühzeitig von einer Stromrationierung betroffenen Wirtschaftszweigen zu zählen sind.

Grundlagen juristisch
In der Schweizerischen Lehre wird gemeinhin die Meinung vertreten, dass es sich beim Stromlieferungsvertrag um eine gesetzlich nicht explizit geregelte Vertragsart handle (sog. Innominatkontrakt). Der Vertrag hat sowohl Elemente eines Kauf- wie auch eines Werkvertrages. Für die hier zu behandelnde Fragestellung ist dies aber nicht von Belang, da der Strom aufgrund eines staatlichen Eingriffs bzw. der Mangellage ohnehin nicht geliefert werden kann. Allfällige Ansprüche aus dem Stromlieferungsvertrag wären dann im Anschluss an die Krise zu prüfen. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben allfällige Entschädigung / Hilfspakete seitens des Bundes.

In rechtlicher Hinsicht stellt sich für Skigebiete die Frage, was für Konsequenzen für die eigenen Vertragsverpflichtungen sich aus der Abschaltung ergeben. Dabei ist v.a. an Verpflichtungen gegenüber Kunden (Skitouristen) und anderen Partnern (bspw. Transportaufträge für Restaurants) zu denken.

Der klassische Skitourist, welcher für einen Tag in die Berge zum Skifahren geht, wird bei der Abschaltung kaum Schwierigkeiten bereiten. Der Vertragsschluss kommt erst an der Kasse bzw. am Skitag selber zustande. Da der Betrieb zu diesem Zeitpunkt aber bereits eingestellt ist, findet auch kein Vertragsschluss statt. Damit bleibt als einziger offener Punkt die Verpflichtungen gegenüber Abonnementen (bspw. Saison- oder Jahresabonnementen) oder solchen Kunden, welche den Skipass bereits im Voraus gekauft haben.

Vertragsart des Ski Abos
Die für ein Ski Abo anwendbare Vertragsart stellt gemäss der aktuellen Rechtsprechung der Transportvertrag bzw. konkret der Personentransportvertrag gem. Art. 19 ff. PBG (Bundesgesetz über die Personalbeförderung) dar. Neben der Hauptleistung – dem Transport mit einem Lift – ergeben sich auch weiter Nebenpflichten wie beispielsweise das zur Verfügung stellen von sicheren und tauglichen Pisten. Im Falle einer Strommangellage ist grundsätzlich nur die Hauptpflicht betroffen.

Haftung aus Nichterfüllung
Als spezialgesetzliche Regelung sieht das PBG selber zwar Haftungen für Verspätungen vor (massgeschneidert bspw. auf den Bahntransport), jedoch gibt es keine konkrete Bestimmung für den Fall, dass die Transportleistung durch die Seilbahnunternehmung nicht erbracht werden könnte. Da es sich unbestrittenermassen um ein privatrechtliches Verhältnis handelt, können auf den Vertrag die allgemeinen Bestimmungen des Obligationenrechtes angewendet werden.

Für die Beurteilung der Haftbarkeit muss unterschieden werden, ob eine Erfüllung bei der Strommangellage überhaupt noch möglich wäre oder ob die Leistung aufgrund der staatlichen Anordnung nachträglich objektiv unmöglich geworden ist. Sofern aufgrund einer Strommangellage gesamtschweizerisch die Versorgung der Seilbahnbetriebe mit Strom unterbrochen wird, liegt gemäss unserer Auffassung eine nachträgliche objektive Unmöglichkeit vor. Kein Seilbahnunternehmen in der Schweiz wäre in diesem Fall noch in der Lage, die Transportleistung zu erbringen. Dem könnte allerdings entgegengehalten werden, dass ein Betrieb der Seilbahnen auf andere Weise – bspw. mit Notstromaggregaten – zumindest theoretisch noch möglich wäre. In diesem Fall würde nur eine wirtschaftliche Unmöglichkeit bestehen, welche Haftungsfolgen auslösen würde. Diese Argumentation erscheint nach der hier vertretenen Auffassung allerdings als Abenteuerlich, da die notwendigen Infrastrukturen weder bestehen, noch mit vertretbarem finanziellen Aufwand beschafft und betrieben werden könnten. Ohnehin ist davon auszugehen, dass im Falle einer Strommangellage auch die Benutzung von Aggregaten eingeschränkt werden könnte.

Rückabwicklung / Rückzahlung des Abopreises
Liegt eine nachträgliche objektive Unmöglichkeit vor, ist für die Rechtsfolgen entscheidend, ob die Schuldnerin (vorliegend also die Seilbahnbetreiberin) die Unmöglichkeit zu vertreten hat oder nicht. Hat sie für den zur Unmöglichkeit führenden Umstand einzustehen, haftet sie nach Art. 97 Abs. 1 OR für den Schaden. Kann sie beweisen, dass sie die Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat, kommt Art. 119 Abs. 1 OR zur Anwendung; damit gilt zum einen die Forderung im Sinne der Transportpflicht als erloschen und zum anderen muss die Seilbahnbetreiberin die bereits empfangene Gegenleistung (allenfalls pro rata temporis) herausgeben. Mit anderen Worten findet eine Rückabwicklung des Vertrages statt.

Das Gesetz hält in Art. 119 Abs. 3 OR aber auch fest, dass die Gegenleistungspflicht dann nicht entfällt, wenn die Leistungsgefahr gemäss Vereinbarung oder Gesetz schon vor der Erfüllung auf die andere Partei übergegangen ist. Vorliegend müsste also eine Rückabwicklung dann nicht erfolgen, wenn eine konkrete Bestimmung im Vertrag dies vorsieht. Entsprechend bestünde für die Seilbahnunternehmen die Möglichkeit, im Kaufvertrag oder allenfalls auch in den ABGs vorzusehen, dass bei einer Betriebseinstellung aufgrund einer Strommangellage keine Rückzahlung der Abonnemente oder der bereits erworbenen Tagespässe erfolgt. Für die Unternehmungen stellt sich damit die Frage, wie eine solche Regelung vertraglich vorgesehen werden kann.

In den vergangenen Jahren hat sich betreffend der Gültigkeit von allgemeinen Vertragsbedingungen eine weitreichende Praxis entwickelt. Für Praktiker ist es wesentlich zu wissen, dass bei einer vollständigen Übernahme der AGBs (klassisch durch Setzen des Häkchens oder Hinweis auf dem Vertrag) ungewöhnliche Regelungen in den AGBs, mit welchen der Vertragspartner nicht rechnen muss, nicht übernommen werden. Für ungewöhnliche Bestimmungen ist es ratsam, diese entweder direkt in den Vertrag aufzunehmen, oder auf die jeweilige AGB-Bestimmung speziell zu verweisen.

Aufgrund dieser speziellen Vorschriften zur Gültigkeit von ungewöhnlichen AGB-Bestimmungen würde sich anbieten, den Hinweis auf den konkreten Kaufvertrag oder zumindest einen Verweis auf die ABG-Bestimmung aufzunehmen. In diesem Fall müssten die bereits verkauften Abonnemente bei einer Einstellung des Bahnbetriebes nicht zurückbezahlt werden.

Übrige Vertragsverhältnisse / Freizeitbeschäftigungen
Für die vorliegende Einschätzung wurde nur der Skipass als Vertragsverhältnis beleuchtet. Die Einschätzungen gelten analog aber für die meisten Freizeitbeschäftigungen, solange keine spezialgesetzlichen Bestimmungen eine andere Regelung vorsehen.

Fazit
Die Gefahr einer Einschränkung der Stromnutzung ist real. Obwohl der Staat während der COVID-Pandemie mit massiven Finanzhilfen die Wirtschaft gestützt hat, ist keinesfalls sichergestellt, dass dies im Falle der Strommangellage in ähnlicher Form wieder geschehen wird, zumal der Ausfall um einiges grösser sein dürfte. Die Unternehmungen sind in der Pflicht, sich sowohl in praktischer als auch rechtlicher Hinsicht auf diesen Fall vorzubereiten. Gerne unterstützen wir Sie dabei mit unserer langjährigen Erfahrung in Recht / Wirtschaft und Politik.

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